Eine einfache, klare Zusammenfassung für Aphasie
Wir sagen „Die Sonne geht auf“, weil die Menschen das so sehen.
Früher dachte man, die Sonne bewege sich um die Erde.
In Wirklichkeit dreht sich die Erde.
Aber für uns sieht es so aus, als ob die Sonne kommt und geht.
Sprache beschreibt oft, was wir fühlen und sehen, nicht, was wirklich passiert.
Darum sagen wir heute noch: „Die Sonne geht auf“ – auch wenn wir wissen, dass sich die Erde dreht.

Sprachgeschichtlich: Warum sagen wir „die Sonne geht auf“?
Unsere Sprache ist sehr alt – sie entstand lange bevor die Menschen wussten, dass sich die Erde um die Sonne dreht.
In der alltäglichen Erfahrung sah man einfach:
Morgens erscheint die Sonne am Horizont, abends verschwindet sie.
Also beschrieb man, was man sieht, nicht was physikalisch geschieht.
Diese Formulierungen („Sonne geht auf“, „Sonne steht hoch“, „Sonne geht unter“) stammen aus einer geozentrischen Weltvorstellung, in der sich alles um die Erde drehte.
Als dann Kopernikus, Galilei und Kepler das heliozentrische Weltbild erklärten, blieb die Sprache — wie so oft — poetisch und traditionell, auch wenn die Wissenschaft sich änderte. Sprache ändert sich viel langsamer als Wissen.
Kognitiv und sprachlogisch: Warum behalten wir diese Ausdrucksweise?
Der Mensch denkt in Bezugssystemen der Wahrnehmung.
Wenn du am Fenster stehst und siehst, wie sich Licht und Schatten verändern, empfindest du tatsächlich:
„Die Sonne kommt“, „die Sonne verschwindet“.
Selbst wenn du weißt, dass sich die Erde dreht, erlebst du das Gegenteil.
Unsere Sprache spiegelt daher nicht objektive Physik wider, sondern subjektive Erfahrung.
Das nennt man in der Linguistik egozentrische oder erfahrungsbasierte Metaphorik.
Wir sagen auch:
- „Der Himmel fällt mir auf den Kopf“ (obwohl er gar nicht fällt)
- „Die Zeit vergeht“ (obwohl Zeit nicht wirklich „geht“)
Sprache ordnet die Welt nach Empfindung, nicht nach Mechanik.
Philosophisch: Die Sprache der Erfahrung
Deine Beobachtung — „eigentlich müsste man sagen: die Erde dreht sich, nicht die Sonne geht auf“ — zeigt etwas sehr Schönes:
Sprache ist ein poetischer Spiegel unserer menschlichen Perspektive.
Wir sind Teil der Erde, und unser Blick ruht auf dem, was sich scheinbar bewegt.
Wenn wir „die Sonne geht auf“ sagen, sprechen wir zugleich über unser Erleben von Licht, Neubeginn, Hoffnung.
Deshalb bleibt der Ausdruck bestehen – nicht, weil er wissenschaftlich korrekt ist, sondern weil er menschlich ist.
Kurz gesagt:
Wir sagen „die Sonne geht auf“, weil Sprache aus der Wahrnehmung, nicht aus der Astronomie entstanden ist.
Die Erde dreht sich – aber für uns geht die Sonne auf.